Alles über Eva

Originaltitel
All about Eve
Land
Jahr
1950
Laufzeit
132 min
Genre
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 25. September 2010

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1950 war das Jahr, in dem Hollywood anfing, sich und seine Aushängeschilder genüsslich selbst zu zerfleischen. Parallel zu Billy Wilders "Sunset Boulevard", der einen einstigen Hollywood-Superstar als psychopathische Irre porträtierte, die mit dem Verlust ihres Ruhmes vollends den Kontakt zur Realität verliert, kreierte Joseph L. Mankiewicz mit "All about Eve" einen grandiosen Abgesang auf die unendliche Eitelkeit des Showgeschäfts. Beide erschufen dabei jeweils einen der unvergesslichsten Charaktere der Filmgeschichte: Auf der einen Seite die wahnsinnige Norma Desmond, verkörpert von einer quasi um ihr Leben spielenden Gloria Swanson, auf der anderen die verzweifelt mit der Angst vor dem Alter kämpfende Margo Channing, die großartigste Rolle in der Karriere der großartigen Bette Davis. Es gehört zu den großen Ironien der Filmgeschichte, das letztlich keine der beiden den Oscar gewann, sondern die Außenseiterin Judy Holliday für die Screwball-Komödie "Born Yesterday". Von so vielen herausragenden Frauenrollen in einem einzigen Filmjahr können die großen Damen von Hollywood heutzutage nur noch träumen.


Mehr als passend ist die Tatsache, dass Davis ihre Niederlage bei der Oscar-Verleihung (es wäre ihre dritte Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin gewesen) einer Gegnerin aus dem eigenen Lager zu verdanken hatte, denn Anne Baxter ließ sich damals in derselben Kategorie nominieren und stahl Davis wohl die entscheidenden Stimmen, anstatt als Nebendarstellerin ins Rennen zu gehen, wo sie garantiert triumphiert hätte. So wurde das Oscar-Rennen zum Spiegel des Films selbst, indem sich die junge Anne Baxter aufmachte, um dem renommierten Star Bette Davis das Rampenlicht zu stehlen.

Der Jahrmarkt der Eitelkeiten von "All about Eve" beginnt mit der alljährlichen Preisverleihung der (fiktiven) Sarah Siddons Society, der renommiertesten Theatergesellschaft der Welt, deren Auszeichnung so viel höher anzusiedeln ist als die Preise von "dieser Film-Vereinigung" (gemeint ist natürlich die Oscar-Akademie), wie der Kritiker Addison DeWitt (Oscar-prämiert als bester Nebendarsteller: George Sanders) in seinem einleitenden, herrlich arroganten Voiceover-Kommentar erläutert (ohnehin gehört es zu den speziellen Freuden dieses Films, mit welcher hochnäsigen Überheblichkeit die Akteure hier auf die profane Welt des Films herabschauen). Der Hauptpreis des Abends, diese höchste nur denkbare Ehre für einen Schauspieler, wird an den jungen Shootingstar Eve Harrington (Baxter) vergeben - unter den wenig begeisterten Blicken von Theater-Superstar Margo Channing (Davis), ihrem Partner und Regisseur Bill Simpson (Gary Merrill), Autor Lloyd Richards (Hugh Marlowe) und seiner Frau Karen (Celeste Holm), Margos bester Freundin. Warum sich keiner von ihnen für Eve freuen mag und wie dieses junge Talent einen derartig kometenhaften Aufstieg hinlegen konnte, das ist die Geschichte von "All about Eve", ein glorreicher Reigen von verletzten und manipulierten Eitelkeiten, vorgetragen in einigen der scharfzüngigsten und besten Dialoge, die die Filmgeschichte je hervorgebracht hat.

Diese Dialoge sind in der Tat der eigentliche Star von "All about Eve" (weshalb man den Film auch möglichst im Original genießen sollte, auch wenn seinerzeit niemand geringeres als Erich Kästner engagiert wurde, um die deutsche Synchronfassung zu schreiben), die Grundlage für die denkwürdigen Schauspiel-Vorstellungen in diesem Film und eine Erinnerung daran, dass die Kunst des eleganten Wortes einst einmal zu den herausragenden Eigenschaften eines großartigen Films gehörte, bevor Spezialeffekte dafür gesorgt haben, dass sich kaum noch jemand wirklich darum kümmert, was man hört, sondern nur noch darum, was man sieht. Da ist es dann auch nur konsequent, dass "All about Eve" in der Welt des Theaters spielt, wo die Ehrerbietung für den geschliffenen Dialog ähnlich groß ist wie die Künstler-Egos seiner selbstfixierten Hauptakteure. Wenn sich Schauspielerin, Regisseur und Autor hier aneinander zu reiben beginnen, dann werfen sie sich grandios boshafte Gemeinheiten an den Kopf, gerade deshalb so herrlich giftig, weil sie derart wohlformuliert sind. Die Dialoge in "All about Eve" sind so scharfzüngig und schlagfertig, so metaphorisch und rhythmisch, so bedeutungsschwanger und subtil, dass hier selbst eine aggressive Einladung zum Sex noch elegant und stilvoll erscheint.


Dieses zum höchsten Glanz geschliffene Drehbuch erzeugt dann auch einige der schillerndsten Gestalten des klassischen Hollywood-Kinos, und liefert selbst für seine kleinen Rollen noch große Momente ab. Thelma Ritter hat hier als Margos linke Hand Birdie nur eine Handvoll Szenen, wurde aber dennoch mit einer Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin belohnt (ebenso wie Celeste Holm). Und eine damals noch weitgehend unbekannte Marilyn Monroe spielt eine kleine Rolle als Party-Date des Produzenten, eine unterbelichtete Blondine, die vom Drehbuch ebenso simple wie wahre Worte in den Mund gelegt bekommt. Ein kurzer, aber denkwürdiger Auftritt. Über allem strahlen jedoch die bissigen, endlos arroganten Manipulationen und Gemeinheiten des Kritikerpapstes Addison DeWitt, der in diesem selbstverliebten Kosmos von Egomanen der eigentliche König ist, und natürlich das subtile Duell von Bette Davis und Anne Baxter als Margo und Eve.

Der Zuschauer lernt Eve Harrington kennen als graue, schüchterne Maus, als ehrfurchtsvoller Mega-Fan des großen Theaterstars Margo. Ein Mädchen von solch liebreizender, unschuldiger Zurückhaltung und Reinheit, dass es einfach zu schön ist, um wahr zu sein. Was Margo leider erst zu dämmern beginnt, als sie Eve bereits das Tor zu ihrer Welt geöffnet hat. Es ist großartig, wie Mankiewicz diesen langsamen Wandel im Verhältnis der beiden inszeniert, wie Eve von Anfang an in all ihrer Perfektion irgendwie unheimlich wirkt, und wie sich Margos bequeme Freude über diese überaus hilfsbereite Bewunderin in nervöse Eifersucht umkehrt. Da zeigt die Grande Dame des Theaters, die ihr zunehmendes Alter und ihren damit nahenden Abstieg aus dem Scheinwerfer-Olymp nicht wahrhaben will, plötzlich ihr wahres Gesicht, und es ist einfach herrlich wie Bette Davis aufdreht, als Margo sich gegen Eve wendet und rückhaltlos bitchy wird.

Zu diesem Zeitpunkt hat "All about Eve" knapp seine Hälfte erreicht, und bis zum Ende werden sich die Sympathien seines Publikums noch deutlich verlagern, so dass man - wenn der Film am Ende zur Preisverleihung der Sarah Siddons Society zurückkehrt - Eves zutiefst bescheidener Dankesrede mit ähnlich zynischer Ernüchterung lauscht wie ihre ehemaligen Freunde und Förderer, und froh darüber ist, dass Margo es doch noch gelernt hat, ihr Schicksal zu akzeptieren und über der infamen Scharade zu stehen, die sich hier abspielt.

In seiner brillanten Schlusseinstellung schließt "All about Eve" dann den Kreis und macht klar, dass die Geschichte sich immer wieder wiederholt und das Showbusiness ein reiner Raubtier-Zirkus ist, wo hinter jedem gemachten Star schon ein neues, hungriges und überambitioniertes Talent lauert, das so ziemlich alles tun würde, um seinen Platz im Scheinwerferlicht zu ergattern. Ein genialer, bissiger Schluss für einen genialen, bissigen Film.


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