Das Privatleben Heinrichs VIII.

MOH (34): 6. Oscars 1934 - "Das Privatleben Heinrichs VIII."

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 9. Januar 2024

Gerade noch hat Katharine Hepburn mit ihrem Auftreten in "Vier Schwestern" in unserer Reihe für Furore gesorgt, da schickt sich der nächste Darsteller an mit seiner Leinwandpräsenz einen ganzen Raum zu füllen. Und im Fall des britischen Charaktermimen Charles Laughton als wahnhaft-wohlbeleibter König Heinrich VIII. darf das durchaus sehr wörtlich genommen werden.

Das Privatleben Heinrichs VIII.

Originaltitel
The Private Life of Henry VIII.
Jahr
1933
Laufzeit
97 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
6
6/10

Mit “Das Privatleben Henrichs VIII.“ konnte 1934 das erste Mal in der Geschichte der Oscars ein ausländischer Film eine Nominierung für den besten Film ergattern. Das man es hier mit einer britischen und nicht amerikanischen Produktion zu tun hat verrät dabei nicht nur die Story, sondern vor allem auch der schon vor knapp 100 Jahren deutlich dunkler gefärbte britische Humor, der im Film immer wieder an die Oberfläche kommt. So richtig ernst nimmt man es mit der blutigen Lebensgeschichte von König Heinrich VIII. (Charles Laughton), dessen legendärer “Verschleiß“ an Ehefrauen das Grundgerüst des Filmes bildet, nämlich nur bedingt.

Schon die Hinrichtung von Heinrichs zweiter Ehefrau Anne Boleyn zu Beginn des Filmes wird von einem makabren Augenzwinkern begleitet. So schwärmt der französische Henker selbstverliebt von seiner exzellenten Schwerttechnik, während sich die Besucher auf der Tribüne über die mangelnde Sicht beschweren. Nachdem der Film es Heinrich gleich tut und in den ersten Minuten mit Anne kurzen Prozess macht, widmet man sich für den Rest der Zeit dann den nicht gerade zu beneidenden restlichen Ehefrauen des englischen Königs. Dabei fokussiert sich die Geschichte vor allem auf Heinrichs großen Schwarm Katherine (Binnie Barnes), an die allerdings auch der englische Adlige Thomas Culpeper (Robert Donat) sein Herz verloren hat. Und da braucht es jetzt keinen Blick in die Geschichtsbücher, um prophezeien zu können, wie die Sache wohl ausgehen wird.  


Ein klein wenig fühlt man sich bei dem Film an die in unserer Oscar-Reihe bereits besprochenen Komödien von Ernst Lubitsch erinnert. Wie dort parodiert man auch hier immer wieder die Rituale des Adels und hat zwischendrin auch Zeit für ein schlüpfriges Witzchen (Stichwort “Sex fürs Vaterland“). Ganz zu schweigen davon, dass der französische Henker zu Beginn ganz offensichtlich von Lubitschs-Lieblingsfranzosen Maurice Chevalier inspiriert wurde. So wird versucht von Anfang an eine ironisch-frivole Grundstimmung zu schaffen, was allerdings nur teilweise gelingt. Damit Humor funktioniert braucht es nämlich auch ein gutes Timing und daran hapert es zumindest in der ersten halben Stunde doch hier und da, weil Schlagabtäusche manchmal behäbig ablaufen und auch die Inszenierung nicht so richtig schwungvoll daherkommt. Auch fehlt über weite Strecken ein ebenbürtiger Gegenpart zu Laughtons dominantem Heinrich, da zwischen ihm und der später in den Fokus rückenden Katherine nicht so richtig der Funke überspringen will.

Gelungener ist da schon das Zusammenspiel von Heinrich mit der “Kurz-Ehegattin“ Anna. Deren kindliche Naivität sorgt für einige charmante Momente, wenn diese statt geplantem Liebesspiel doch lieber mit Heinrich einfach Karten zocken möchte. Das die Chemie zwischen diesen beiden Darstellern deutlich stimmiger ist könnte auch daran liegen, dass Edith Lanchester und Charles Laughton im wahren Leben bereits seit einigen Jahren verheiratet waren und es auch bis zu dessen Tod bleiben sollten. Was wohl Heinrich VIII. zu dieser Langlebigkeit gesagt hätte?

Laughton bescherte die Rolle auf jeden Fall nicht nur den Oscar für den besten Darsteller, sondern sie legte auch den Grundstein für eine lange und mit Filmklassikern nur so gespickte Karriere (“Meuterei auf der Bounty“, “Glöckner von Notre Dame“, “Zeugin der Anklage“). Es ist dann tatsächlich auch eine sehr markante One-Man-Show, die Laughton hier auf die Bühne bringt. Laughton wirft sich mit viel Energie in die Rolle und gibt den wahnwitzigen Herrscher über weite Strecken wirklich überzeugend. Ein bisschen Wasser muss man aber dann doch in den Wein schütten. Gerade bei den Dialogen ist hier auch ein ordentlicher Schwung Overacting dabei, der  manchmal etwas zu viel des Guten ist und einen eher aus der Figur herausreißt.


Aufgefangen wird das aber meist durch den bisher so in unserer kleinen Reihe noch nicht gesehenen und schon beeindruckenden Mut zur Lächerlichkeit des Hauptdarstellers. Hier wird voller Einsatz und ohne Rücksicht auf Verluste gefressen, gerülpst und aufgeplustert durch die Gegen stolziert, dass es eine wahre Freude ist. Damit rechnet man dann ja auch eher nur bedingt in einem Film aus den 1930er Jahren über einen König aus dem 16. Jahrhundert. Laughton beweist dabei ein gutes Gespür dafür, wie man seine Physis erfolgreich in den Dienst der Komödie stellt. Wundervoll zu sehen in der witzigsten Sequenz des Films, als Heinrich vergeblich versucht auf dem Weg zu einem heimlichen nächtlichen Techtelmechtel unbemerkt an seinen eigenen Wachen vorbeizukommen.
 
Leider bremst sich der Film allerdings immer wieder ein bisschen selbst aus, auch weil man neben manch behäbigem komödiantischen Timing vor allem im späteren Verlauf versucht, hier und da auch etwas Ernsthaftigkeit reinzubekommen. Dafür ist der Zug aber aufgrund des ständigen Augenzwinkerns und seine überzeichneten Hauptfigur leider abgefahren und so löst die gewollte Tragik rund um die Situation von Heinrich am Ende nicht wirklich die gewünschte Betroffenheit aus. So ein bisschen kriegt man dann zwar wieder die komödiantische Kurve, aber insgesamt wäre man doch besser beraten gewesen, wenn man im Schlussteil noch konsequenter auf die rein humoristische Karte gesetzt hätte.

"Das Privatleben Heinrichs VIII." ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite von PBS kostenlos abrufbar.

 

Lust auf Hähnchen? Ausschnitt aus einem Bankett mit unserem König.


Ausblick
In unserer nächsten Folge werden wir wieder in England landen, doch diesmal gibt es definitiv nicht viel zu lachen. Stattdessen wartet eine ordentliche Portion Herz-Schmerz und eine alte Bekannte in einer Doppelrolle auf uns.   


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