Die Rothschilds

MOH (51): 7. Oscars 1935 - "Die Rothschilds"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 16. April 2024

Bereits letzte Woche hatten wir in “Imitation of Life“ so einige nachdenkliche Themen zur Diskussion stehen. Freudiger wird es heute definitiv nicht, wenn anhand des Oscar-nominierten “Die Rotschilds“ die Judenverfolgung des Dritten Reichs und vor allem die perfide umgesetzte Medienhetze der Nazis in den Mittelpunkt unserer Filmkritik rückt.

Die Rothschilds

Originaltitel
The House of Rothschild
Land
Jahr
1934
Laufzeit
88 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland war Anfang der 1930er Jahre auch Hollywood nicht entgangen. Erst recht, da viele Gründer der großen Studios (z.B. Carl Laemmle, Adolph Zukor, William Fox, Louis B. Mayer und Harry Warner) einst selbst als jüdische Immigranten in die USA gekommen waren. Selbst in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten war es für sie damals schwierig gewesen Eintritt in die europäisch geprägte High Society zu erlangen, da auch hier Antisemitismus weit verbreitet war. Wichtige Positionen in respektablen Branchen blieben den Einwanderern so verwehrt, die anfangs von vielen belächelte Filmbranche stand ihnen dagegen offen. Mit harter Arbeit und cleverem Geschäftssinn konnten sie sich dort einen Namen machen, waren aber angesichts der bedenklichen Entwicklungen in Europa in den frühen 1930ern auch in Sorge um die alte Heimat.

Mit “Die Rothschilds“ wollte 20th Century Fox nun mahnend auf die antisemitische Geschichte Europas zurückblicken, ohne aber zu ahnen welche unvorstellbaren Schrecken die Zukunft tatsächlich bereithalten würde. Der Film widmet sich der Geschichte der berühmten jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, die trotz starkem antisemitischem Gegenwind zu einem der wichtigsten Finanzhäuser der Welt aufstieg. Dieser Aufstieg wird hier zwar etwas sehr vereinfacht und glattgebügelt erzählt, ist trotz einer erst mal sehr trocken wirkenden Thematik aber vor allem dank einem starken Hauptdarsteller wirklich gelungen. Und alleine die Reaktion von Nazi-Deutschland auf diesen Film (zu der wir später kommen) zeigt, dass man hier den Finger genau in die richtige Wunde legte.


Der Film selbst startet im Jahr 1780 mit dem Familienoberhaupt Mayer Rothschild (George Arliss, “Disraeli“), der als Geldwechsler in der Frankfurter Judengasse arbeitet. Wie alle Juden leiden er und seine Familie dabei unter den Repressalien der örtlichen Behörden. So darf die Familie die Judengasse nach Sonnenuntergang nicht verlassen und Mayer viele andere berufliche Tätigkeiten außerhalb des Finanzsektors gar nicht erst ausüben. Um die Zukunft seiner Familie zu sichern instruiert er darum am Sterbebett seine fünf Söhne ein europaweites Banksystem aufzubauen und dabei stets den Familienzusammenhalt an erste Stelle zu setzen.

Knapp 40 Jahre später haben die Söhne seine Anweisungen perfekt umgesetzt und über ganz Europa verteilt ein einflussreiches und gut vernetztes Bankiershaus etabliert. Angeführt von Nathan (ebenfalls George Arliss), der in London sitzt, gilt die Familie als wichtiger Kreditgeber für die politischen Machthaber des Kontinents. Das Geld haben viele Staaten angesichts der Eroberungsphantasien Napoleons zu der Zeit auch dringend nötig. Nach ihrem Sieg über den französischen Kaiser zeigen sich die Alliierten aber gegenüber dem Haus Rothschild als nur wenig dankbar für deren entscheidende Finanzspritze. So verweigert ein Gremium, angetrieben von dem Hass des judenfeindlichen Grafen Ledrantz (Boris Karloff, “Spätausgabe“), den Rothschilds aus fadenscheinigen Gründen die Chance auf ein weiteres wichtiges Kreditgeschäft. Diese Ungerechtigkeit kann Nathan nicht ertragen und beginnt sich im Namen aller Juden mit seinen ganz eigenen (finanziellen) Waffen zu wehren. Gleichzeitig muss er sich aber auch noch um den eigenen Hausfrieden kümmern, möchte die eigene Tochter Julie (Loretta Young, “The White Parade“) doch entgegen der langjährigen Familientradition den nicht jüdischen Captain Fitzroy (Robert Young) ehelichen.


Rein thematisch kommt “Die Rothschilds“ natürlich mit sehr viel politischem und emotionalem Gepäck daher, gerade wenn man das Produktionsjahr des Filmes und die kurz davor erfolgte Machtergreifung Hitlers berücksichtigt. Versuchen wir aber erst einmal den Film unabhängig von den parallel dazu verlaufenden geschichtlichen Entwicklungen zu sehen, so weit das möglich ist. Abgesehen von einem kleinen romantischen Subplot konzentriert sich die Handlung vor allem auf den Aufbau des Familienimperiums Rothschilds und spielt hierzu in großen Teilen in politischen Hinterzimmern oder an der Londoner Börse. Das klingt deutlich trockener als es nachher ausfällt, denn es ist schon spannend zu sehen wie hier Großmächte um die besten Kredite buhlen. Natürlich wird das Geschehen relativ vereinfacht dargestellt aber dafür kommt man immer gut mit und verliert dank durchaus wortgewandten Dialogwechseln und einem ordentlichen Spannungsbogen nie das Interesse. Wobei es natürlich hilft wenn man ein kleines Faible für diese Zeitepoche und Geschichte generell mitbringt.

Das der Film so kurzweilig ist liegt aber vor allem an Hauptdarsteller George Arliss. Der hat ja schon in “Disraeli“ gezeigt, dass er durchaus charismatisch einen staatsmännisch auftretenden Protagonisten geben kann. Die Mischung aus Eloquenz und Charme mit der er hier Nathan portraitiert ist aber nochmal eine Klasse besser und kommt diesmal auch mit deutlich weniger Theatralik aus. Dabei tritt Arliss ja sogar in einer Doppelrolle auf und spielt zu Beginn ebenfalls den Vater der fünf Brüder. Beiden Rollen drückt er einen ganz unterschiedlichen Stempel auf, so dass man schon mehrmals hingucken muss, bevor man realisiert, dass es sich hier um den gleichen Darsteller handelt (gut, die eher durchwachsene Bildqualität in welcher der Film vorliegt begünstigt dies natürlich).


Die größte Stärke von Arliss ist die überzeugende Art und Weise wie er immer wieder zwischen der Rolle als cleverer Geschäftsmann und unglaublich warmherzigem Familienvater wechselt. So wächst die Figur gerade dank dem feinfühligen und oft neckischen Umgang mit den eigenen Familienmitgliedern einem sehr schnell ans Herz. Seine Gegenspieler können da nicht wirklich mithalten, lediglich Boris “Frankenstein“ Karloff sticht etwas heraus, was aber weniger an dessen etwas zu zurückhaltendem Schauspiel liegt sondern mehr an dessen markant-kantiger Optik.

So ganz haben die Macher der Anziehungskraft des politischen Ränkespiels aber wohl nicht getraut und so diesem noch einen ziemlich generischen Liebesplot hinzugefügt. Der bremst den eigentlichen Hauptstrang immer wieder etwas aus und wirkt stets wie das was er auch ist: ein unnötiges Anhängsel. Sobald allerdings Arliss hier mitmischt wird es zumindest etwas lebhafter, da  gerade die Dialoge mit seiner Tochter sehr gut geschrieben sind und er dort in Perfektion den warmherzigen und oft leicht neckischen Patriarchen gibt. Was aber nichts daran ändert, dass dieser Strang stets wie ein Fremdkörper wirkt. Nicht ganz überraschend hat der echte Nathan Rothschild dann auch nie eine Tochter gehabt, was uns zu einem weiteren diskussionswürdigen Punkt bringt.


So ganz genau nimmt man es hier nämlich nicht mit einigen Fakten. Das muss zwar kein Problem sein, wird hier aber zu einem, da man diese künstlerischen Freiheiten vor allem dazu nutzt, um das Bild unserer Bankiersfamilie möglichst rosarot zu gestalten. So scheint über dem Bankiershaus fast ein Heiligenschein zu schweben, hat man doch stets nur den Frieden und eine bessere Welt im Sinn. Angesichts der Mechanismen dieser Branche wirkt das hier doch etwas verklärend und zu viel des Guten. Ein klein wenig mehr graue Schattierungen hätten hier gut getan, auch wenn solch ein extrem positives Porträt der Rothschilds angesichts des hasserfüllten Antisemitismus, dem sich diese im Film an mehreren Stellen ausgesetzt sehen, natürlich irgendwie nachvollziehbar ist.

Im letzten Drittel bricht der davor meist nur in Worten ausgeübte Judenhass dann auch in echte Gewalt aus und bedroht das Leben der noch in Deutschland lebenden Familienmitglieder. Womit wir dann auch bei dem Elefanten im Raum sind. Auf tragische Weise ist “Die Rothschilds“ ein ungehörter Warnschuss bald folgender Entwicklungen in Europa, dessen sich wohl selbst die Macher nicht bewusst gewesen sein dürften. Dabei gab es interessanterweise in dieser Zeit sogar noch weitere internationale Filme, die das Thema Judenverfolgung deutlich anprangerten. In Großbritannien entstand ebenfalls 1934 die britische Verfilmung “Jew Süss“ und ein Jahr zuvor “The Wandering Jew“ (der nicht in Deutschland aber Österreich unter dem Namen “Ahasver, der ewige Jude“ lief). Kenne der deutschen Filmgeschichte werden angesichts der Filmtitel schon ahnen worauf wir hier nun hinauswollen. Mit den eigenen Filmversionen von “Die Rothschilds“ und “Jud Süß“ versuchte das deutsche Propagandaministerium auf Anweisung von Joseph Goebbels 1940 seine krankhafte Ideologie ins Kino zu bringen. Und in dem im gleichen Jahr produzierten Propagandafilm “Der ewige Jude“ ging das sogar soweit, dass man sich hierfür auch Originalausschnitten aus der amerikanischen Version von “Die Rothschilds“ bediente.


Und so kommt es, dass im 1940 gedrehten deutschen Propagandafilm “Der ewige Jude“ ein Filmausschnitt mit George Arliss als Familienoberhaupt Mayer Rothschild zu sehen ist. In der Szene aus dem Anfang der amerikanischen Version versucht Mayer seine Erträge vor deutschen Steuerfahndern zu verstecken, was der deutsche Film als Beweisführung für die Korruption und Ehrenlosigkeit des jüdischen Volkes sieht. Was der Propagandafilm aber natürlich verschweigt ist, dass im amerikanischen “Die Rothschilds“ klar gemacht wird, dass Mayer dies nur tut, um die Zukunft seiner Familie in einem sie unterdrückenden System zu sichern. Mayer weist gegenüber seinen Kindern sogar extra noch mal darauf hin, wie sehr es ihn schmerzt das Gesetz brechen zu müssen. Aber diese Passagen passten natürlich nicht zum Propagandakonzept des dritten Reiches und werden dort nicht gezeigt.  

Soviel hinterlistige Hetze lässt bei der Recherche dann schon mal den eigenen Blutdruck steigen. Enden möchten wir aber noch mal mit etwas mehr positiver Filmgeschichte, denn “Die Rothschilds“ hat auch noch Technikgeschichte geschrieben. Die Schlusssequenz des Filmes wurde im Gegensatz zum Rest in Farbe gedreht und war eine der ersten Anwendungen des damals neuen und sogenannten vierten Technicolor-Verfahrens in einem großen Hollywoodfilm – man wollte es hier einfach mal austesten. Mehr über die Einführung des Farbfilms werden wir in dieser Reihe noch zu einem späteren Zeitpunkt erfahren, möchten angesichts der düsteren Thematik des Filmes aber nun zumindest mit einem kleinen Farbklecks unser Review beenden.

Ausschnitt: Die Farbszene vom Ende des Films
 

"Die Rothschilds" ist aktuell leider nicht als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film aber auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.


Ausblick
In unserer nächsten Folge kommt nach zwei schwermütigen Filmen in dieser Reihe wieder ein bisschen die Leichtigkeit zurück, wenn wir der Geburt der Screwball-Komödie beiwohnen.


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