Messer Im Herz

Originaltitel
Un Couteau Dans Le Coeur
Land
Jahr
2018
Laufzeit
102 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 17. Juli 2019

Ja sag mal, ist dies hier terrifying throwback thursday? Während im Multiplex gerade Mörderpuppe Chucky reanimiert wird, wird im auserwählten Programmkino nebenan die Genreschraube noch eine Dekade zurückgedreht, in die 1970er und die Zeit der typisch italienischen Genremischung aus Slasher, Mystery- und Kriminalfilm, der Giallo. Und zwar so perfekt auf vintage getrimmt, das man glatt denken könnte, es handle sich bei "Messer im Herz" tatsächlich um einen gerade wiederentdeckten, waschechten Genreverteter aus den späten Siebzigern, der sanften Untergangsphase des Giallo. Wenn, ja wenn da nicht Frankreichs berühmteste und charmanteste Zahnlücke, Vanessa Paradis, in der Hauptrolle zu entdecken wäre. 

Paradis spielt Anne Parèze, eine Produzentin von Schwulenpornos im Paris der späten Siebziger. Als ein mysteriöser Killer anfängt, ihre Schauspielertruppe zu ermorden, muss sich Anne aufgrund des kompletten Desinteresse der Polizei selbst daran machen, den Mörder zu enttarnen. Was dadurch nicht einfacher wird, dass Anne sich in einer schweren emotionalen Krise befindet, da sie sich gerade von Loïs (Kate Moran), der Cutterin ihrer Filme, getrennt hat. Wer wird hier also sprichwörtlich oder wortwörtlich bald ein Messer im Herz haben...? 

Schon vorweggenommen also: der zweideutige Titel spricht natürlich auch Annes zunehmend unstabilen emotionalen Zustand an, denn der Mörder mit "Leatherface"-Gedächtnismaske hält es eher mit einer ingeniösen Mordwaffe, einem Dildo-Springmesser (!). Auch deswegen ist "Messer im Herz" natürlich doch nicht hundertprozent authentisch, denn mit Respekt von Frauen oder Homosexuellen hatten es die Giallo ja eher nicht so, während dieser Film queer as folk ist. Wie bei den echten Giallos gibt es auch hier trotz relativ kurzer Laufzeit einige Längen und die Charaktere sind zumeist grobe Stereotypen.

Dafür lebt "Messer im Herz" wie die Originale vor allem von seinen set pieces. Und da hat der Film einiges zu bieten, unter anderem eine Sequenz, die Argento nicht besser hinbekommen hätte: Bei einem Picknick im Wald zieht auf einmal heftiger Wind auf (ein Hauch von "Phenomena"!) und eine ebenso plötzlich entfesselnd kreisende Kamera landet nach einigen Touren jeweils auf einem der Pornodarsteller, während dabei bei jedem Mal der Killer im Hintergrund ein Stückchen näherkommt. Auch eine Sequenz, in der das Licht bei Dreharbeiten aus- und angeht, während sich der Mörder nähert, zählt zu den Highlights. Es gibt sogar einen exotischen Vogel! Kurzum: Hier kennt und liebt jemand seine klassischen Giallos, ohne dabei ins stupfe Zitieren und augenzwinkernde Verweisen zu kommen.  

Ein weiteres Highlight: Der fantastische Syynthscore von MP83, dem Musikprojekt vom Bruder des Regisseurs. Für eben jenen Yann Gonzalez ist "Messer im Herz" tatsächlich eine Herzensangelegenheit, für alle anderen eher ein Kuriosum, dessen Erfolg beim Zuschauer wohl auch davon abhängt, wie jener zum Giallo und seinen teils abstrusen emotionalen Traumata steht. Oder aber für Freunde des eher abseitigen queeren Kinos. Eines ist zumindest klar: Dies ist mal wirklich ein Kontrastprogramm zum Multiplex. 

 

Bilder: Copyright

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