No. 2

Originaltitel
No. 2
Land
Jahr
2005
Laufzeit
94 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
10
10/10
von Patrick Wellinski / 31. Mai 2010

Ein Bild der Erinnerung: Der Nikotinnebel wächst in den Raum hinein. Er wird dichter, wird zum Nebel der Vergangenheit. Ein schönes weißes Haus. Kinder spielen fangen. Viele Menschen sitzen im Garten und feiern. Alle versammeln sich vor dem Haus zum Gruppenfoto. Und dann verschwindet alles wieder im Nebel.

Nanna Maria hat in ihrem Haus No. 2 schon bessere Zeiten erlebt. Früher, als sie noch jung war, gab es ständig Feste und Feiern, viele Menschen und Kindergelächter. Die alte Frau sehnt sich nach diesen vergangenen Zeiten, und so beschließt sie mit vollem Elan, wieder ein solches Fest für die ganze Familie zu veranstalten. Die Organisation sollen ihre Enkel übernehmen, aber die können der plötzlichen Idee ihrer Oma nicht so viel abgewinnen. Jeder hat seine eigenen Probleme, und zwischen den Familienmitgliedern kracht es immer wieder ordentlich. Aber Nanna Maria lässt nicht nach, denn bei diesem Fest will sie ihren Nachfolger als Familienoberhaupt bekannt geben.

Niemand könnte dieser willensstarken und etwas störrischen Frau etwas abschlagen, die an ihrem Lebensabend nochmal die Vergangenheit heraufbeschwören will. Gespielt wird sie herrlich von Ruby Dee, voller Kraft und Zerbrechlichkeit zugleich. Aber sie ist zum Glück nur ein (sehr wichtiger) Teil eines unheimlich starken Ensembles.
Regisseur und Autor Toa Fraser kommt aus Neuseeland und ist eigentlich im Theater zu Hause. Und so hat er auch "No. 2" zuerst als Theaterstück für eine Person geschrieben. Nachdem das Stück sehr erfolgreich auf der ganzen Welt aufgeführt wurde, hat der junge Neuseeländer genug Geld gesammelt, um es zu einem Drehbuch umschreiben und auch inszenieren zu können. Es ist fast ein Wunder: Aus einem Stück für nur eine Person wurde einer der herzerwärmendsten und wundervollsten Ensemblefilme der letzten Zeit.

Es ist aber eben nur fast ein Wunder, angesichts des Herstellungslandes Neuseeland. Filme aus dem kleinen Ozeanstaat sind selten, aber wenn sie sich einmal auf unsere Leinwände verirren, sind es meistens kleine Meisterwerke (zum Beispiel "Whale Rider" oder "Die letzte Kriegerin"). Obwohl der Regisseur das Thema Familie behandelt, zugegebenermaßen ein schon oft bedientes Sujet, schafft er es doch, dem Gegenstand wieder eine neue Glaubwürdigkeit einzuhauchen.
"No. 2" ist ein Film über das Erinnern. Über eine gute, friedliche Zeit, die schon längst vorbei ist. Dabei werden alle Figuren zart und mitfühlend behandelt und nicht dem Zynismus geopfert. Es ist eine Hymne auf die Großfamilie, ohne dabei zuckersüße Romantik zu versprühen. Alle Familienmitglieder haben ihre Probleme. John (Nathaniel Lees) und Percy (Pio Terei) sind Brüder und die einzigen Söhne von Nanna Maria. Seit dem Tode ihres Vaters reden sie nicht mehr miteinander. Der älteste Enkel Erasmus (Rene Naufahu) schlägt sich ebenso wie seine Cousinen Charlene (Mia Blake) und Hibiscus (Miriam McDowell) und sein Cousin Soul (Taungaroa Emile) mit den Problemen des Erwachsenwerdens herum. Arbeitslosigkeit und schlechte Bezahlung sind leider für fast alle Alltag. Einer, der diese Sorgen nicht hat, ist Nannas Lieblingsenkel Tyson (Xavier Horan). Er hat Geld, sieht gut aus und er hat eine Freundin (Tuva Novotny), die er von seiner Familie so weit wie möglich fernhalten möchte. Doch auf Nannas starrköpfigen Wunsch hin begibt sich selbst der etwas arrogante Tyson zum Haus No. 2.
Und so müssen alle auf engstem Raum miteinander auskommen. Schließlich will ein Fest organisiert werden. Ein lebendiges Ferkel, ein schusseliger Pfarrer, ein uralter Baum und ein brandneues Auto sorgen dabei für allerlei Turbulenzen und für Lachtränen in den Augen der Zuschauer.

So wie Toa Fraser auf eine allzu moralisierende Ode an Familientugenden verzichtet, lässt er dankenswerterweise auch ein tränenrühriges Happy End aus. Die letzten Einstellungen mögen beschaulich und harmonisch wirken. Sie haben aber ein Verfallsdatum. Jeder, der in einer Großfamilie aufgewachsen ist, wird das wissen. Jedes Fest hat ein Ende, und der von Hollywood so oft suggerierte Irrglaube, danach sei alles wieder gut, ist falsch. Das Wundervolle, Ehrliche, Wahrhaftige an "No. 2" ist, dass er genau dies beherzigt und in überwältigend charmante, schöne und überzeugende Bilder packt.
Wenn nach der Vorstellung die Lichter angehen, ist man in einer Art Schwebezustand, wie ihn nur sehr wenige Filme auslösen können, weil sie es schaffen, einem auch etwas über das eigene Leben (und die eigene Familie) zu zeigen. Und dafür darf man Toa Frasers "No. 2" schon den Stempel Meisterwerk aufdrücken.

Bilder: Copyright

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