Hölle hinter Gittern

MOH (13): 3. Oscars 1931 - "Hölle hinter Gittern"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 28. Oktober 2023

Nach dem bereits im April 1930 die zweiten Academy Awards stattgefunden hatten, folgte nur sieben Monate später, am 5. November 1930, bereits die dritte Ausgabe. Grund dafür war, dass man das Jahresende als besseren Zeitpunkt für die Verleihung ansah und mit ihr so näher an das zulässige Release-Fenster für Nominierungen rücken wollte. Für die dritte Verleihung waren diesmal Filme für eine Nominierung berechtigt, die zwischen dem 1. August 1929 und 31. Juli 1930 veröffentlicht wurden.
 

Eher eine nüchterne Angelegenheit - die Übergabe der Trophäen am 5. November 1930.


Dazu feilte man hier und da auch noch an kleineren Details und änderte beispielsweise den Namen der Hauptkategorie von “Outstanding Picture“ zu “Outstanding Production“. Mit so Kleinigkeiten wollen wir uns jetzt aber nicht länger aufhalten, bevor es hier mit der ersten Nominierung (“Hölle hinter Gittern“) losgeht. Stattdessen gibt es aber noch einen kleinen Mini-Exkurs in ein spannendes Thema, welches die Filmproduktion in Hollywood in den nächsten Jahren immer stärker beeinflussen würde. Denn was die kreativen Filmschaffenden an der Westküste da so trieben war einigen Politikern langsam ein Dorn im Auge geworden.
 

Hintergrund: PreCode – Die Moral von der Geschichte

Die 1920er Jahre in Hollywood waren nicht nur vor sondern auch hinter der Kamera eine ziemlich wilde Angelegenheit (dazu gerne wieder der Verweis auf Damien Chazelles “Babylon – Rausch der Ekstase“, der das ziemlich eindrücklich einfängt). Die Folge waren zahlreiche handfeste Skandale, darunter vor allem der Vorwurf der Vergewaltigung und Ermordung der Schauspielerin Virginia Rappe durch den berühmten Stummfilmkomiker Roscoe “Fatty“ Arbuckle im Jahre 1921. Die Sittenwächter des Landes waren alarmiert, das Image der Traumfabrik stark angekratzt. So wurde 1922 die Motion Pictures Producers and Distributors Association gegründet, die unter der Leitung von Will H. Hays eine Art moralischen Richtlinienkatalog für zukünftige Filmproduktionen entwerfen sollte.

Nach einem ersten losen Entwurf 1927 wurde 1930 dann der sogenannte Production Code veröffentlicht, der bereits schnell auch unter dem Namen seines Schöpfers als “Hays Code“ bekannt wurde. Dieser Kodex legte mit seinen Richtlinien fest welche Darstellungen von Sex, Gewalt, Verbrechen, Religion und Politik im Medium Film zukünftig noch moralisch akzeptabel waren. Mit anderen Worten, was die Filmemacher und Filmemacherinnen zeigen durften und vor allem was nicht.   

Doch die Einhaltung dieser Richtlinien wurde bis zum Jahr 1934 erst einmal nicht wirklich weiterverfolgt. Man kann es sich schon denken, so richtig haben sich die Leute dann auch nicht daran gehalten. Nicht nur weil es die eigene künstlerische Freiheit beschränkte und als zu konservativ in den ziemlich liberalen Kreisen galt, sondern auch weil Sex und Gewalt sich nunmal richtig gut verkauften. Und gerade während der Wirtschaftskrise waren die Studios auf jeden Cent angewiesen.

All das sollte sich 1934 ändern, als die Zügel deutlich enger gezogen wurden und jeder Film die Freigabe der neu gegründeten Production Code Administration benötigte. Bis dahin nutzten die Studios aber noch ihren Freibrief, weswegen die ersten Jahre des Tonfilms auch als sogenannte Pre-Code-Zeit bezeichnet werden. Mit Filmen, die eben deutlich freier und moralisch schattierter daherkamen als die Werke, die ab 1934 stets die Gefahr der Zensur zu berücksichtigten hatten. Die Nominierten der dritten Academy-Awards sind dann auch ein gutes Beispiel für diese Freiheiten. Ob die grafische Gewalt in “Hölle hinter Gittern“, die schlüpfrigen Witze in “Liebesparade“ oder vor allem die sexuellen Abenteuer einer unglücklichen Ehefrau in “The Divorcee“, all dies würde einige Jahre später so nicht mehr oder nur mit Tricks möglich sein.

Erst in den späten 1950er Jahren begann die Macht des Codes langsam zu bröckeln, bis er dann 1967 endgültig abgeschafft wurde. Ab 1934 war seine Wirkung auf die Inhalte der Traumfabrik aber eben für lange Zeit ziemlich gravierend und genau das macht die Periode der deutlich freizügigeren Pre-Code-Filme davor zu einem der faszinierendsten Kapitel in der Geschichte des amerikanischen Kinos. Und genau davon können wir uns gleich bei den dritten Academy Awards überzeugen.

Nominiert in der Kategorie “Outstanding Production“ waren der spätere Gewinner "Im Westen nichts Neues", "Hölle hinter Gittern", "The Divorcee", "Disraeli" und "Liebesparade". Wir starten unsere erste Kurzbesprechung mit dem Gefängnisdrama "Hölle hinter Gittern".


Hölle hinter Gittern

Originaltitel
The Big House
Land
Jahr
1930
Laufzeit
88 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

“Hölle hinter Gittern“ ist eines der ersten großen Gefängnisdramen der Traumfabrik. Und das erste Mal, dass mit der Drehbuchautorin Francis Marion eine Frau abseits der Schauspielkategorien von der Academy ausgezeichnet wurde. Eine der großen Stärken des Filmes ist, dass die Story von Marion nicht ganz ausrechenbar ist und die ein oder andere interessante Wendung parat hat. Zu Beginn scheint es noch so, als ob der Fokus der Geschichte auf dem jungen und schüchtern wirkenden Kent (Robert Montgomery) liegen wird, der nach einem von ihm verursachten tödlichen Autounfall im Gefängnis landet.

Konfrontiert mit deutlich gefährlicheren Mithäftlingen und den unzumutbaren Bedingungen in der völlig überfüllten Anstalt scheint alles auf einen knallharten Überlebenskampf des jungen Mannes herauszulaufen. Doch schon bald rücken dessen beiden Zellengenossen, der einfältig-brutale Butch (Wallace Beery) und der cool-charismatische John (Chester Morris), in den Mittelpunkt der Story. Eines haben aber alle gemeinsam: sie wollen alle so schnell wie möglich raus hier.
 


Zu Beginn spricht “Hölle hinter Gittern“ ziemlich deutlich an, dass in den amerikanischen Gefängnissen damals viel im Argen lag. Diese Kritik wird auch im weiteren Verlauf immer mal wieder angeschnitten, tritt aber leider dann mehr in den Hintergrund, da man sich stärker auf das Konfliktpotential zwischen den drei zentralen Protagonisten konzentriert. Dass dabei aber durchaus Spannung aufkommt liegt an den immer wieder wechselnden Dynamiken in dieser kleinen Gruppe.

Vor allem an dem immer wieder aufkommenden Dilemma, dass der eigene Vorteil oft nur dadurch zu erreichen ist, dass man die sonst so viel gepriesene Loyalität mit den Kollegen mal für ein paar Minuten außen vor lässt. Das sorgt konstant für Spannung, gefühlt wünscht man sich aber manchmal ein klein wenig mehr Einblicke in die Motive der Figuren. Unterhaltsam und nett anzuschauen ist dieses kleine Katz- und Mausspiel aber trotzdem, und gerade Chester Morris, der ja bereits in “Alibi“ sein grundsätzliches Charisma unter Beweis gestellt hat, fungiert im späteren Verlauf ganz gut als Identifikationsfigur.
 


Einen ebenfalls ordentlichen Job macht Regisseur George W. Hill, der leider nur wenige Jahre nach dem Erscheinen des Filmes starb. Mit seiner Inszenierung etabliert er eine beklemmende und kaltherzige Atmosphäre in dem Gefängnis, die gleichzeitig das Gefühl vermittelt, dass es hier jederzeit zur Explosion kommen kann. Dafür kombiniert Hill zum Beispiel immer wieder geschickt Massenszenen mit dem eindrücklichen Einsatz von Sound, wenn zum Beispiel die Gefangenen im Rhythmus auf ihre Tische schlagen. Am Ende kommt es natürlich zum großen Showdown, wobei das actionreiche und durchaus brutale Finish sich ein klein wenig in die Länge zieht und man gleichzeitig ein bisschen die Chance verpasst, dem amerikanischen Strafvollzug noch deutlicher die Leviten zu lesen. So richtig mitreißend und emotional befriedigend ist das Ende so leider nur bedingt.

So ist “Hölle hinter Gittern“ ein gelungener wenn auch nicht überragender Startschuss für das kleine Untergenre des Gefängnisfilms. Den schussgewaltigen Showdown und die etwas ausufernde Gewalt sollte man angesichts des noch beschränkten Einflusses des Production Codes in dieser Zeit aber ja schon fast "genießen". Nur wenige Jahre später würde das Genre schon deutlich gesitteterer daherkommen müssen.   

"Hölle hinter Gittern" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar.
 

Die Einlieferung von Kent ins Gefängnis (Ausschnitt aus "Hölle hinter Gittern")


Ausblick
In unserer nächsten Folge werden wir sehen, dass Pre-Code-Filme auch ihren weiblichen Figuren ziemlich viel Freiheiten (und Spaß) erlauben konnten.


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