Ein Duell alter Männer. Seit ein paar Jahren Lieblingsdisziplin von in Ehren ergrauten Hollywoodstars, allen voran Oberbrummbär Clint Eastwood. In "Absolute Power" trat er gegen Gene Hackman an, und in seinem oscarprämierten Spätwestern "Erbarmungslos" standen sich Morgan Freeman und Gene Hackman bereits als Feinde gegenüber. Damals behielt Hackman als korrupter Sheriff die Oberhand und durfte den aufrechten Outlaw Freeman kalt machen und der Lächerlichkeit preisgeben. Jetzt der Rückkampf mit verdrehten Vorzeichen. Der Cop Freeman gegen den vermeintlichen Verbrecher Hackman, ein Kampf um versteckte und gebrochene Identitäten, um Moral und Gewissen, die Suche nach Wahrheit, die bei des Psychospielen der Konkurrenten verloren zu gehen droht.
Die Geschichte ist relativ simpel gehalten, ein menschliches Schachspiel zwischen den Königen des Spiels, Cpt. Victor Bezenet (Freeman) und dem reichen Steueranwalt Henry Hearst (Hackman), dazu der Bauer Det. Owens (Thomas Jane) und später die Dame des Spiels, Hearsts junge Frau Chantal (Monica Bellucci). Die Eröffnungszüge des Spiels sind Geplänkel: Bezenet bittet seinen alten Freund Hearst, der auf einem Empfang erwartet wird, kurz ins Polizeipräsidium zu kommen, um ein paar offene Fragen zu beantworten. Schließlich hat dieser am Vortag die Leiche eines jungen Mädchens gefunden, bereits die zweite mit der sich Bezenet beschäftigen muss. Und natürlich wird aus dem freundlichen, kurzen Zusammentreffen ein langes zähes Ringen um die Wahrheit. Die Spielzüge
liebe und der fiese Polizist.. |
sind offensichtlich: Bezenet und Owens starten mit den üblichen Good Cop - Bad Cop -Spielchen, die Hearst mit Arroganz und Unmut pariert, aber je länger sich das Umkreisen um Schuld und Unschuld hinzieht, desto mehr verstrickt sich Hearst in eine Lüge nach der anderen ...
Als klassisches Kammerspiel inszeniert, zelebriert "Under Suspicion" natürlich das Aufeinandertreffen der Kontrahenten, aber die Show gehört hier eindeutig Gene Hackman. Mit seinem mittlerweile zum Markenzeichen gewordenen aggressiven Machismostolz liefert er hier eine Glanzleistung ab. Sein Henry Hearst verliert erst Toupet und Anzug, dann Selbstsicherheit und Beherrschung, bis das vermeintliche Ungeheuer im Biedermann enthüllt ist, die Brüche in seinem Charakter das Ungeheuerliche vermuten lassen. Leider bleiben die anderen Figuren Statisten. Freeman schaut hauptsächlich müde drein, ist mehr Moderator als Agitator. Und führt damit schon zu einem Problem des Filmes: Zu wenig wird auf das Duell der beiden vermeintlichen Freunde eingegangen, besagte Freundschaft existiert eh nur als Behauptung, gerade das Zusammenspiel dieser
Detective Owens wird Hearst gegenüber etwas aggressiv. |
beiden herausragenden Darsteller kommt nie wirklich aus den Startlöchern. La Bellucci ist zwar in ihrer ersten Szene halbnackt, darf hier aber zumindest mehr als nur Püppchen sein. Leider wirken sowohl ihr Charakter, wie auch der des jungen Heißsporns Owens ein wenig verschenkt, die Dramaturgie verhindert volle Entfaltung der Figuren.
Gleichzeitig stellt diese auch ein Dilemma von "Under Suspicion dar, das - je nach Sichtweise - sowohl Stärke als auch Schwäche sein kann. Die ständige Enthüllung neuer Lügen der Hearst-Figur und seine immer tiefergehende Verstrickung sind aus Charakterstudienwarte höchst interessant. Wie Hackman sich immer wieder herauswindet, nachbessert, vor- und zurückargumentiert, das hat Klasse und ist durchaus spannend anzusehen. Aber der Gesamtspannungsaufbau leidet etwas unter dieser Verhackstückung. Die enge kammerspielartige Atmosphäre wird aufgebrochen durch Rückblenden, bei denen sich der ansonsten im
Sabber-Anfälle beim männlichen Publikum: Monica Bellucci. |
Actiongenre ansässige Regisseur Stephen Hopkins ("Lost in Space" "Der Geist und die Dunkelheit") offenbar wohler fühlt als beim genauen Beobachten im Polizeipräsidium. Sie verleihen dem Film Dynamik und Agilität, die die reinen Dialogszenen, das Darstellerkino, manchmal vermissen lassen, aber sie stellen auch unbeantwortete Fragen. Warum zum Beispiel wird darin das Setting des Films - Puerto Rico - zwar ausgiebig gezeigt, aber nicht im Geringsten thematisiert?
Dieser Film ist so ambivalent wie seine Hauptfigur. Dementsprechend fällt auch das Ende aus, das - je nach Einstellung - entweder enttäuscht oder brilliert. Hervorzuheben wäre eben jene moralische Ambivalenz, die diesem Film eine einfache Lösung nach Schema F verweigert. Zu kritisieren allerdings, daß die präsentierte Lösung nicht wirklich schlüssig ist und (zu) viele Fragen offen lässt. Wer sich diesen Film als Charakterstück mit einem hervorragend aufgelegten Gene Hackman anschaut, wird zufrieden sein, wer einen Krimi mit dementsprechender Auflösung erwartet, eher enttäuscht. Denn die übliche Suche nach dem Täter, das whodunnit, wird zu einem whoishe, dem Sezieren des Tieres im Mann. Das ist spannend anzusehen und intelligentere Unterhaltung als vermutet, hundertprozentig überzeugen kann es nicht. Womit wir wieder beim Thema Ambivalenz angelangt sind. "Under Suspicion" bietet zwei hervorragende Darsteller, eine grandiose One-Man-Show, und ein paar interessante, unangenehme Fragen. Das ist schon mehr, als man von vielen vergleichbaren Filmen behaupten kann. Nur schade, daß hier mit etwas präziserer und sicherer Regie mehr drin gewesen wäre.
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