"Da vor uns liegt ein toter Mann." "Steigen Sie einfach drüber." "Drüber steigen?" "Ja, ist es jemand den Sie kennen?" "Nein." "Dann steigen Sie einfach drüber."
Im Jahr 2021 sterben die Menschen in den Straßen von New York. Ungewöhnlich ist das nicht. Es liege an ihren Herzen sagt man, es trifft meistens einsame oder traurige Menschen, vor allem Kinder. "Es geht direkt ins Herz und peng, man stirbt."
Mit dieser Tatsache wird John (Joaquin Phoenix) konfrontiert, als er am New Yorker Flughafen landet und am Ende einer Rolltreppe einer Leiche begegnet. Eigentlich wollte er nur kurz seine Frau Elena (Claire Danes) in der Flughafenlounge treffen, um von ihr die Scheidungspapiere unterschreiben zu lassen. Die Ehe hatte der Belastung von Elenas Berühmtheit als Eislaufstar nicht standgehalten. In der Halle stehen aber nur zwei Mitarbeiter, die John mitteilen Elena hätte es, wieder einmal, nicht geschafft. Johns Flug wird unter Einwänden umgebucht, denn er freut sich nicht auf ein längeres Treffen mit seiner Noch-Ehefrau.
Wer von Thomas Vinterberg einen weiteren Dogma-Film in der Tradition von "Das Fest" (1998) erwartet hat, wird bei seinem neuen Werk enttäuscht werden. Vinterberg sagt zwar, dass er bei "It's All About Love" die Dogma-Regeln weiterinterpretiere, wie genau er das aber gemeint haben könnte, ist schwer nachzuvollziehen, denn bei "It's All About Love" erinnert auf den ersten Blick gar nichts an Dogma.
"It's All About Love" ist wie eine Metapher über die Liebe, oder besser wie die Metapher einer Sichtweise der Liebe. Man wird konfrontiert mit dunklen Hotelräumen, langsamen Bewegungen, die manchmal in einen angenehmen Stillstand verfallen, den man im heutigen Kino fast nicht mehr gewohnt ist, und Schatten, die auf den Gesichtern der Menschen liegen, denn nie sieht man ein nach besten Hollywood-Regeln ausgeleuchtetes Set. Alles scheint für etwas anderes zu stehen.
So erklären sich vielleicht auch die merkwürdigen Vorkommnisse, die unter normalen Umständen keinen Sinn ergeben würden. Die Erde wird zum Beispiel immer kälter. So kalt, dass in Uganda sogar die Schwerkraft aussetzt und die Mensche anfangen zu fliegen. Johns Bruder (Sean Penn) kann aufgrund einer Überdosis Drogen gegen Flugangst plötzlich nur noch fliegen und ruft seinen kleinen Bruder aus dem Flugzeug an, um ihm seine Gedanken über das Leben mitzuteilen.
Auch die Situation in die Elena hineingerät ist bizarr. John merkt schnell, dass etwas mit ihr nicht zu stimmen scheint. Ihre Wiederbegegnung ist unterkühlt, doch Elena ist froh, dass John da ist. Vor allem als sie vor ihrer Zimmertür eine Frau entdeckt, die genauso aussieht wie sie selbst. Es tauchen noch weitere, geistig verwirrte Elenas auf. Haben Elenas Bosse Angst bekommen, sie könne dem Arbeitsdruck nicht weiter standhalten und wollen sie durch Doppelgängerinnen ersetzen? Anzeichen für Ermüdungserscheinungen bestehen, Elena schläft und trainiert, mehr tut sie nicht, auch mit ihrem Herzen stimmt etwas nicht. Sie bittet John um Hilfe, weil sie nicht weiß, wem sie noch trauen soll. John und Elena nähern sich einander wieder an, aber es stellt sich die Frage, ob es für sie nicht schon zu spät ist.
In Vinterbergs Film dreht sich wirklich alles nur um Liebe oder um ihr Fehlen. Es geht darum wie die Menschen sich voneinander entfernen, wie ihre Herzen erkalten, wie ihr Leben überschattet ist. Menschen sind austauschbar, solange sie nicht wirklich geliebt werden. All das ist visuell und dramaturgisch erstklassig umgesetzt. Die surreale Szenerie übt eine Faszination aus, die einen allen Pathos verzeihen lässt. Erklärungen gibt es keine und nach Auflösungen sollte man nicht fragen, wie in der Liebe, denn it's all about love.
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