Wir sind auf der Hulainsel Hawaii: Lilo ist ein sonderliches kleines Mädchen ohne Freunde, das seine Zeit damit verbringt, alte Platten von Elvis zu verschlingen und eindrucksvolle Sonnenbrände übergewichtiger Strandtouristen zu fotografieren. Seit dem Tod ihrer Eltern wird sie als Waisenkind von ihrer älteren Schwester Nani großgezogen, die im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Jugendamt eine harte Zeit mit der notorisch quengeligen Lilo durchmacht. Sie bilden eine kleine Familie, "Ohana" auf hawaiianisch, die tapfer zusammen zu bestehen versucht. In dieser unerquicklichen Lage fällt plötzlich Experiment 626 vom Himmel.
626 ist eine außerirdische Vernichtungsmaschine übelster Natur und verkörpert das Ergebnis illegaler Genversuche eines verrückten (sechsäugigen) Wissenschaftlers. 626 ist unzerstörbar, kratzt, beißt, kotzt und ist ein etwa kinderkopfgroßer knuddeliger Fellball mit vier Armen. Nachdem die Galaktische Föderation von seiner Existenz Wind bekam, wurde das Wesen als vogelfrei erklärt und zur endgültigen Vernichtung freigegeben. Doch da gelingt 626 die Flucht zur Erde, wo er kurze Zeit später als Adoptivhund bei Lilo und ihrer Schwester Unterschlupf findet. Stitch, wie der garstige Köter nun heißt, genießt dank Lilos Liebe zu jeglichen Skurrilitäten ihre uneingeschränkte Zuneigung und wirbelt das Leben der beiden Hawaiianer ganz schön durcheinander. Schließlich treibt er es so doll, dass der Sozialarbeiter des Jugendamtes Lilo samt Koffer abholen will. Doch dann besinnen sich Lilo, Nani und Stitch einer Sache: "Ohana heißt Familie. Familie heißt, dass alle zusammenhalten. Und für einander da sind …"
Den augenfälligen Kurswechsel im Hause Disney verdanken wir den zwei Regisseuren und Drehbuchschreibern Chris Sanders und Dean DeBlois, die dort bisher mit dem Pinsel die Puppen tanzen ließen. Um das richtige Aloa-Feeling des Streifens auf die Leinwand zu bannen, packten die beiden Hula-Meister die Koffer und fuhren in Begleitung von Animatoren, Kameras und Zeichenblöcken in die Pampa Hawaiis, von wo sie haufenweise visuelle Eindrücke mit nach Hause brachten. Zurück im Studio machten sich dann rund 300 Künstler und Techniker eifrig daran, die Eindrücke in Aquarell umzusetzen; übrigens stellt dies den größten Einsatz von Wasserfarben bei Disney seit sechzig Jahren dar. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: "Lilo und Stitch" bietet eine Vielzahl gewaltiger und farbenprächtiger Szenenhintergründe, die den sonnigsten Bundesstaat der USA als verträumtes Paradies für quirlige Mädchen und bockige Außerirdische portraitieren.
Während das Risiko besteht, dass Mütter mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen aus dem Kinosessel springen, lässt sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sagen, dass Kinder und jung gebliebene Zeichentrickfans vor Lachen ihre Cola verschütten werden. Der neue Disney-Streifen ist in der Tat phantasievoll und - verglichen zu vorherigen Errungenschaften - skurril bis bizarr: leider bewahrte der Ehrgeiz, rundum anders zu sein als "Die Schöne und das Biest" und "Der König der Löwen", die Geschichte nicht davor, zeitweise an den Rand des Kitsches zu geraten, und löst sie hier und da in einem bunten Konglomerat aus LSD-Farben und Elvissongs auf. Manche Figuren ähneln recycelten Monstern aus dem Reich der Pokémons und selbst die Übelsten unter ihnen werden vielleicht ein wenig zu schnell unter dem Einfluss der hawaiianischen Sonne und familiärer Herzenswärme schwach und einsichtig. Aber nichtsdestotrotz erzählt "Lilo und Stitch" eine schöne Geschichte in einem noch schöneren Ambiente, sie ist phantasievoll und außergewöhnlich und kann selbst dem überzeugtesten Zeichentrickmuffel ein Schmunzeln abringen. Und wenn gerade keines der Kinder guckt - bestimmt auch der lieben Frau Mama.
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