Der Kanadier Atom Egoyan gehört wohl zu den bekanntesten Autorenfilmern der Welt. Der Regisseur mit armenischen Wurzeln hat sich einen Namen mit Filmen gemacht, die verschachtelt und verwoben sind und gerne erst über labyrinthische Umwege an ihr Ziel gelangen. Seit seinem Film "Wahre Lügen" scheint Egoyan nun eine neue Vorliebe für erotische Stoffen entdeckt zu haben. Während in "Wahre Lügen" die verführerische Atmosphäre in aller Deutlichkeit zum Grundton einer Kriminalgeschichte wurde (wenn auch nicht vollkommen überzeugend), arbeitet sich Egoyan mit seinem neuen Film "Chloe" nun weiter in das Genre des Erotikthrillers ein. Chloe (Amanda Seyfried) heißt das junge und wunderschöne Callgirl, das ganz zu Beginn des Films über seinen Lolita-Charme räsoniert. Besonders ältere Männer suchen sie auf. Doch der Film verliert sie zunächst aus den Augen und konzentriert sich auf den Professor David Steward (Liam Neeson), der kurzfristig seine Frau Catherine (Julian Moore) versetzt, die eine große Geburtstagsfeier für ihren Mann geplant hat. Für Catherine nur eines einer zunehmenden Menge an Anzeichen, dass David sie betrügt. Um Gewissheit über diesen Verdacht zu bekommen, setzt sie das Callgirl Chloe auf David an: Sie soll sehen, ob David sich bereitwillig verführen lässt, und Catherine detailliert Bericht über ihre Begegnungen erstatten. Catherine wähnt die Situation in ihrer Hand. Doch schon bald gerät ihr Plan außer Kontrolle. Es stimmt voll und ganz, wenn jetzt einige Kritiker sagen, dass auch Egoyan dem ziemlich angestaubten Genre des Erotikthrillers auch nichts großartig Neues abgewinnen kann. Das ist allerdings nicht allzu schlimm, denn das Ergebnis ist trotzdem aufregend anzusehen. Egoyan versteht es äußerst raffiniert, mit minimalistischen Mitteln die Handlungen seiner Charaktere mit einer gewissen Erotik zu durchtränken. Die erste Viertelstunde ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Neben Chloe, die aus dem Off über ihre Sexualität spricht, die nicht nur ihren Job ausmacht, sondern auch unauslöschlicher Teil ihrer Identität ist, spricht David vor seinen Studenten über die erotischen Abenteuer von Don Juan. Catherine hingegen plagt sich in ihrer Arbeit als Gynäkologin regelmäßig mit den medizinischen Auswirkungen des Sex. Einmal sagt sie zu einer frustrierten Patientin, die einen Orgasmus für unmöglich hält, dass der Orgasmus nichts weiter als eine Muskelkontraktion sei. Alles dreht sich bei den Figuren um die vermeintlich schönste Nebensache der Welt. Auch der pubertäre Sohn fällt gerne über seine Freundin her und tobt gemeinsam mit ihr in Unterwäsche durch das luxuriöse Anwesen der Familie Steward. "Chloe" bleibt ein kleines Nebenwerk im Gesamtschaffen von Atom Egoyan. Es ist dennoch schön zu sehen, dass all der unnötige visuelle Ballast, der in "Wahre Lügen" noch das Sehvergnügen erheblich störte, nun zugunsten einer gestrafften, eingängigeren Erzählung gewichen ist. Manchmal fehlt es zwar noch etwas an den subtilen, fast unmerklichen Untertönen, die Meisterwerke wie "Exotica" und "Das süße Jenseits" prägten. Dennoch lässt sich dieser Film, der mit sehr schönen und geschickten Täuschungsmanövern agiert, ohne Bedenken genießen. |
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