Der Titel verbirgt es nur minimal: Auch "Der Schatzplanet" reiht sich ein in die lange Tradition von Disney-Adaptionen berühmter Abenteuergeschichten, in diesem Falle der weltberühmten Piraten-Schwarte "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson. Mit dem ebenfalls für Disney typischen sehr freien Umgang mit den Vorlagen (unübertroffen dreist die Umdichtung des hochtragischen "Glöckner von Notre-Dame" in ein fröhlich-buntes Singspiel mit Happy End) wird auch hier ein wenig an den Details gebastelt, und in einem Anfall von besonderer Kreativität die ganze Story von der Karibik in den Weltraum verfrachtet. So ist der Held der Geschichte, Jim Hawkins, zwar immer noch ein junger Heißsporn, der im Gasthaus seiner geplagten Mutter zufällig von einem in stürmischer Nacht hereinplatzenden (und kurz darauf sterbenden) Seemann eine Schatzkarte erhält, diese führt jedoch nicht zu einer Insel, sondern zu einem Schatzplaneten. Jim heuert daraufhin mit dem Familienfreund Dr. Doppler das (Raum-)Schiff von Kapitän Amelia, um sie zu diesem sagenumwobenen Planeten zu bringen, nicht ahnend, dass sich in der Crew einige Meuterer verstecken, die es schon lange auf den Schatz abgesehen haben.
Sonderlich einfallsreich war man bei "Der Schatzplanet" nicht gerade, was die Übertragung der alten Geschichte in den Weltraum betrifft: Aus dem holzbeinigen und hakenhändigen Schiffskoch Long John Silver, der zu Jim's väterlichem Freund als auch Konkurrenten wird, formte man einen mit multifunktionalen Gliedmaßen (sein Arm ist so eine Art Schweizer Taschenmesser) ausgestatteten Halb-Cyborg, der in der Romanvorlage auf der Schatzinsel zurückgelassene Matrose Ben ist hier ein zurückgelassener Roboter namens B.E.N. (binär-elektrischer Navigator), statt in einen gefährlichen Sturm gerät das Schiff in eine Supernova, und so weiter. In der Tat fragt man sich des Öfteren, was der Weltraum-Firlefanz überhaupt soll, dient er doch lediglich als Ausrede für ein paar etwas rasantere Action-Einlagen und einige exotisch-bunte Space- und Planeten-Szenarien. Ernst ist es den Machern damit jedenfalls nicht, sonst würden sie ihre Helden nicht auf einem Dreimaster mit Sonnensegeln, auf dem nach wie vor das Deck geschrubbt werden muss, durchs All schweben lassen.
Tatsächlich nimmt sich "Der Schatzplanet" in manchen Momenten aus wie ein kaum verstecktes Plagiat von "Titan A.E.", dem letzten (vergeblichen) Versuch der Fox-Studios, in die Animations-Domäne des Disney-Konzerns vorzudringen: Nicht nur das Space-Szenario, auch der Zeichenstil einiger Figuren sowie der mit fetziger Rockmusik (von "Goo Goo Dolls"-Leadsänger Johnny Rzeznik) angereicherte Soundtrack erinnern beizeiten überdeutlich an das Fox-Projekt. Ob das nun eine schadenfrohe Demonstration sein soll, wie Disney mit den gescheiterten Ideen der Konkurrenz trotzdem Geld macht, oder einfach nur schlecht geklaut ist: Eine etwas werkgetreuere Adaption und ergo eine Umsetzung im richtigen Karibik-Piraten-Stil wäre wahrscheinlich schöner ausgefallen. Denn das ist auch einfach näher an der dem Mäusekonzern so am Herzen liegenden romantischen Verklärung.
Andere Disney-Eigenarten sind allerdings wiederum fabelhaft gelungen, nämlich die Nebenfiguren: Dr. Doppler und Kapitän Amidala liefern - zumindest in der Originalversion - grandios-elegante Sprachpurzelbäume ab, die auch nur Komödien-Künstler wie David Hyde Pierce (bekannt als Niles Crane aus "Frasier") als die Stimme von Doppler und die britischste aller Britinnen, Emma Thompson als Amidala hinbekommen können. Allen die Schau stiehlt aber auch diesmal ein neuer Geniestreich aus der Disney-Schmiede für putzige Gesellen: Der etwa faustgroße Formwandler Morph ist eine Quelle fortlaufender Gag-Volltreffer und die sowohl beste als auch einfallsreichste Idee des Entwickler-Teams, dass sich ansonsten doch merklich vor allzu viel Arbeit scheute. Drum ist "Der Schatzplanet" auch nur eine Disney-Produktion von der Stange, kein großes Prestige-Objekt (die kommen in den letzten Jahren ja ohnehin nur noch aus der Digital-Abteilung Pixar), eine routiniert runter gedrehte Standard-Nummer mit den üblichen Einlagen und Höhepunkten. Was Disney macht, macht Disney gut, es wäre nur schön, wenn Disney auch mal was Neues machen würde.
Originaltitel
The Treasure Planet
Land
Jahr
2002
Laufzeit
85 min
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Buena Vista International
Neuen Kommentar hinzufügen