Gerade mal ein Jahr ist für die vier Pevensie-Kinder vergangen seit sie unglaubliche Abenteuer in der Welt von Narnia erlebt haben. Sich wieder in der "normalen" Welt zurecht zu finden fällt ihnen nicht leicht und so kommt es gar nicht so ungelegen, als sich Peter, Susan, Edmund und Lucy plötzlich doch - und diesmal ohne eigenes Zutun - in dem Reich wieder finden, in dem sie zu Königen wurden. Doch die Rückkehr entpuppt sich als zwiespältiges Vergnügen. Nicht nur, dass in der Zeitrechnung Narnias stolze 1300 Jahre vergangen sind und keiner der alten Freunde mehr zu leben scheint. Aus dem goldenen Zeitalter ist zudem ein Dunkles geworden für alle Zaubertiere und mythische Kreaturen. Die Menschenrasse unter dem brutalen und intriganten Lord Miraz hat nun die Macht und selbst der mächtige Löwe Aslan wurde seit mehr als 1000 Jahren nicht mehr gesehen. Als Miraz ein Sohn geboren wird, muss Prinz Kaspian, der rechtmäßige Thronfolger, um sein Leben fürchten und er ist es auch, der schließlich die vier legendären Kinder zu Hilfe ruft. Gemeinsam mit so unterschiedlichen Helfern wie dem schwarzen Zwerg Nikabrik, der Maus Flitzeflink und den letzten Zentauren stellt man sich der gewaltigen Übermacht entgegen.
Es ist ja doch schon sehr berechenbar, das amerikanische Publikum, zumindest was die großen Fantasyfilme angeht. Den als "antichristlich" gescholtenen "Goldenen Kompass" verschmähte es barsch, während der mit pro-christlichen religiösen Metaphern durchsetzte erste Teil der "Chroniken von Narnia" im Entstehungsland ein gewaltiger Erfolg wurde. Abgesehen von den manchmal etwas zu aufgesetzten christlichen Botschaften bot die als "Herr der Ringe"-Nachfolger angelegte Franchise aber nur leidlich unterhaltsames, harmloses Familienkino und allenfalls mittelprächtige Actionszenen und Spezialeffekte. Nun kommt mit der Fortsetzung "Prinz Kaspian von Narnia" ein, vor allem in Bezug auf die letztgenannten Punkte, deutlich besserer Film ins Kino, der aber eine wesentlich ernsthaftere und düstere, dabei auch weit weniger pompöse Geschichte erzählt - und prompt ist der Liebesentzug des US-Publikums garantiert. Gerade mal gut halb so viele Menschen wollten das nun noch sehen und die neue Goldmine ist somit fast schon wieder trockengelegt. Na gut, für die bereits in der Vorproduktion befindliche "Reise auf der Morgenröte" wird es noch reichen, aber ob dann auch tatsächlich alle sieben Romanvorlagen den Weg auf die Leinwand finden werden, ist auf ein Mal gar nicht mehr so sicher.
Und wäre es schade drum? Knifflige Frage, denn ganz so leicht wie nach Film Nummer Eins fällt dem nörgelnden Kritiker das "Nein" jetzt nicht mehr. Der zweite Film ist nämlich ein Fortschritt in nahezu allen Bereichen, vielleicht einmal abgesehen von der doch recht schlichten Hauptstory nach bekannter Genre-Machart. Hier sind gut und böse klar verteilt und auch die Aufgabe und das Ziel klar umrissen. Doch die Umsetzung ist kompetent und gehört vom Aufwand und den Schauwerten her sicher zur oberen Klasse des modernen Blockbuster-Kinos. Ausgezeichnete und rasant gefilmte Actionsequenzen, wie der große (und ziemlich aussichtslose) Angriff auf die Burg wissen zu gefallen, und schon der Einsteig mit der Flucht des jungen Prinzen macht gleich Lust auf mehr, zumal bereits dieser Beginn deutlich macht, das es diesmal nicht ganz so zuckersüß zugehen wird wie in Runde Eins. Nichts für die ganz Kleinen also, aber allemal brauchbares Fantasy-Futter für alle Interessierten.
Okay, im Bezug auf die Ausarbeitung der einzelnen Charaktere bleibt man nach wie vor weit hinter den Tolkien oder Rowling-Adaptionen zurück, da beißt auch die computeranimierte Maus keinen Faden ab. Die vier Kinder bzw. Jugendlichen mit Namen Pevensie präsentieren sich nach wie vor eher als eindimensionale Funktionsträger und geben sich dabei noch nicht einmal allzu sympathisch. Der Titelheld dieser Episode passt da dann auch ganz gut hinein, denn obwohl es an der Leistung des Newcomers Ben Barnes grundsätzlich nichts auszusetzen gibt, hinterlässt er auch andererseits keinen besonders bleibenden oder gar charismatischen Eindruck. Reichlich aufgesetzt, überflüssig und unglaubwürdig auch die sich sehr schnell entwickelnde, aber dennoch nur angedeutete Romanze zwischen seinem Prinz Kaspian und der Bogenschützin Susan.
Der einzig wirklich überzeugende Charakter ist zugleich auch der amüsanteste, und das ist der stets grummelige und schlecht gelaunte Zwerg, dem Peter Dinklage hier Gestalt verleiht. Hollywoods erste Wahl für kleinwüchsige Figuren (zuletzt in "Sterben für Anfänger" und aktuell auch gerade in "Brügge sehen... und sterben" zu sehen) hat diesmal eine echte Paraderolle abgestaubt und drückt diesem Film zumindest im Bereich Humor ganz klar seinen Stempel auf. Dem Italiener Sergio Castellitto ("Im Rausch der Tiefe") gelingt es dagegen im Vergleich eher weniger, seiner Schurkenfigur Lord Miraz genug Profil zu verleihen um tatsächlich furchteinflößend zu wirken. Dass dieser Charakter im Laufe der Handlung dann auch noch immer weiter demontiert und schließlich sogar fast lächerlich gemacht wird, hilft natürlich auch nicht wirklich.
"Prinz Kaspian von Narnia" ist sicher kein herausragender Beitrag zum Fantasy-Kino, ein wenig zu lang geraten und alles in allem eher von konventioneller und herkömmlicher Machart. Er ist aber auch ganz sicher kein Ärgernis und bietet erkennbare Fortschritte in verschiedenen Bereichen. Die moralische Keule und christliche Botschaft kann man hier und da sicher wieder entdecken, man muss sie aber dieses Mal schon etwas gezielter suchen. Da zudem die Figuren in den weiteren Romanen wechseln und sich die einzelnen Abenteuer auch recht stark unterscheiden, könnte sich die "Narnia"-Serie am Ende sogar zu einer Art Wundertüte entwickeln, bei der man dann gar nicht so genau weiß, was jedes Mal drin ist. Und das wäre ja nicht unbedingt das Schlechteste.
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