Die von Angelina Jolie gespielte Dame heißt Evelyn Salt und hat als CIA-Agentin schon einiges mitgemacht. Zuletzt hat sie sogar einen Gefängnisaufenthalt inklusive Folter in Nordkorea überstanden, aus dem sie erst dank des Engagements ihres Ehemanns (August Diehl) befreit wurde. Trotzdem machen sich sofort Zweifel an ihrer Loyalität breit, als ein russischer Überläufer ausgerechnet Salt als "Schläfer" im Dienste amerikanischer Feinde bezeichnet. Das Evelyn prompt flieht, vorgeblich weil sie das Leben ihres Mannes in Gefahr sieht, entschärft die Situation auch nicht gerade und bringt ihren Vorgesetzten und Freund Ted Winter (Liev Schreiber) fast zur Verzweiflung. Es gilt die angekündigten Anschläge auf den russischen und amerikanischen Präsidenten zu vereiteln und niemand weiß, ob Agentin Salt dabei nun eine Hilfe oder eher die eigentliche Bedrohung ist.
Auch der Zuschauer wird darüber lange Zeit recht geschickt im Unklaren gelassen, alles scheint möglich und es verdichten sich sogar die Anzeichen, dass es sich bei der toughen Mrs. Salt tatsächlich um eine Verräterin handelt. Nun darf aber jeder mal selbst kurz ausrechnen, wie hoch denn wohl die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Angelina Jolie in einer US-Mainstreamproduktion wirklich eine grundböse Verräterin verkörpert. Diese nüchterne Betrachtungsweise des geschulten Kinobesuchers mal außer Acht gelassen, verstehen Drehbuch und Darsteller es allerdings schon ziemlich clever, die Kapriolen so weit zu treiben, dass man da doch eigentlich gar nicht mehr sauber rauskommen kann.
Es sei denn, man treibt es mit den Plotwendungen und der Unwahrscheinlichkeitsrechnung noch ein ganzes Stückchen weiter und dreht die Schraube des Irrsinns einfach ganz schmerzlos bis zum definitiven Anschlag durch. Dass man sich genau für diese Variante entschieden hat, macht "Salt" daher zum vermutlich absurdesten und unglaubwürdigsten Film des Jahres, es macht ihn allerdings auch zu einem der Unterhaltsamsten. Wer sich auf das Spielchen ein- und die Plausibilitätsfrage einfach beiseite lässt, der kann eine Menge Spaß und Spannung erleben mit diesem Action-Feuerwerk, in dem kaum eine Minute mal ruhig durchgeatmet wird.
Was übrigens nicht bedeuten soll, dass hier der gern verwendete Spruch vom an der Kasse gleich mit abzugebenden Gehirn Anwendung finden würde, denn es gilt durchaus aufzupassen und mitzudenken beim Spiel der wechselnden Loyalitäten und erhellenden Rückblicke. Denn für sich genommen ist diese ganze Geschichte durchaus stimmig, man darf sie halt nur nicht auf die Möglichkeiten einer tatsächlichen Umsetzung in unserer realen Welt hinterfragen.
Als Beispiel sei hier nur die Episode um das geplante Attentat auf den für manche etwas zu Amerika-freundlichen russischen Präsidenten genannt. Schon unter "normalen" Umständen dürfte es ja zu den Königsdisziplinen des gemeinen Assassinen gehören, dieses als Einzelkämpfer im Angesicht massiver Absperrungen und Sicherheitsvorkehrungen erfolgreich durchzuführen. Wie das aber jemandem fast mühelos gelingen soll, der sich einer nun bereits vorgewarnten Armada von Sicherheitsleuten gegenübersieht, die zudem speziell nach dieser einen Person Ausschau hält, das gibt einem als Zuschauer sogar dann ein wenig zu denken, wenn man so geschickt von einer Verfolgungsjagd und Actionszene zur Nächsten gejagt wird wie es hier der Fall ist.
Zwei Dinge sorgten neben der rasanten und souveränen Inszenierung des Routiniers Phillip Noyce ("Die Stunde des Patrioten", "The Saint") dafür, dass "Salt" in den USA bereits sehr erfolgreich lief und eine erhöhte Aufmerksamkeit genoss: Erstens die Feststellung, dass Tom Cruise offensichtlich falsch lag, als er die ursprünglich für ihn vorgesehene Rolle ablehnte und statt dessen lieber das aufgeblasene Action-Komödchen "Knight and Day" drehte (die Hauptrolle wurde daraufhin auf eine Frau umgeschrieben, damit Jolie den Part übernehmen konnte); und zweitens die kürzliche Enttarnung eines echten Agentenpärchens, das tatsächlich mehrere Jahre in den USA eine unauffälliges und scheinbar angepasstes Leben führte, in Wahrheit aber für die Russen spionierte. Ideale Werbung für einen Film also, der damit trotz der oben beschriebenen Ferne von jedem realistischen Szenario sogar noch ein wenig Anschein von "aus dem Leben gegriffen" verpasst bekam.
Die Figur "Salt" auf eine weibliche Darstellerin umzuschreiben machte wenig Probleme und hat sich also auch nicht nachteilig ausgewirkt. Was nicht überraschend ist, denn dies ist genau die Art von Rolle, in der das Publikum eine Angelina Jolie am ehesten sehen will, und die macht sich darin dann auch ausgesprochen gut, bewegt sich auf sicherem Terrain und darf dabei auch etwas Humor oder in den Szenen mit Deutschland-Export August Diehl sogar ein wenig Verletzlichkeit zeigen. Liev Schreiber dagegen scheint seit seinem muskelbepackten Auftritt im "Wolverine"-Film gefallen am Darstellen harter Macho-Kerle gefunden zu haben und liefert uns daher erneut einen solchen.
Zwar weit entfernt von der Vielschichtigkeit eines Jason Bourne, ist aber auch die Agentin zwischen den Fronten Evelyn Salt allemal ausbau- und fortsetzungsfähig, so dass es sich hier durchaus um den Start einer neuen Franchise für die ehemalige Lara Croft-Darstellerin handeln könnte. Und das ist nichts, worüber man allzu betrübt sein muss.
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