Im siebenten Himmel

MOH (2): 1. Oscars 1929 - "Im siebenten Himmel"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 19. September 2023

Nach dem wir in unserer ersten Folge ja einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Academy Awards geworfen haben, ist es nun an der Zeit mit der eigentlichen Mission zu starten: zweimal die Woche kurz und knackig einen der im jeweiligen Jahr in der Kategorie “Bester Film“ nominierten Filme zu besprechen. Im Fall der ersten Oscar-Verleihung ist die Frage, wieviel Filme in dieser Kategorie nominiert waren, aber tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. Bevor wir uns also unserem ersten Nominierten widmen, braucht es noch ein klein wenig Hintergrundwissen.
 

Hintergrund: “Outstanding“ vs. “Unique and Artistic Picture“

Die ersten Academy Awards, die am 16. Mai 1929 verliehen wurden und zwischen dem 1. August 1927 und 31. Juli 1928 veröffentlichte Filme berücksichtigten, zeichnet eine einmalige Besonderheit aus. Genaugenommen wurde die uns heute als “Best Picture“ geläufige Hauptauszeichnung hier nämlich in zwei unterschiedliche Kategorien unterteilt – "Outstanding Picture" (für populäres Kino) und "Unique and Artistic Picture“ (für künstlerisch besonders wertvolles Kino), für die je drei Filme nominiert waren. Eine Aufteilung, die man schon ein Jahr später aber wieder fallen ließ. Nachträglich entschied man sich dann einfach dafür, die Kategorie "Outstanding Picture" als höchste Ehrung in die Geschichtsbücher einzutragen. Es sollte allerdings noch ein paar Jahre brauchen, bis dieser Name der heutigen und etwas einfacheren Bezeichnung “Best Picture“ weichen würde.

Darunter, dass “Unique and Artistic Picture“ etwas aufs Abstellgleis der Geschichte gestellt wurde, hatte ausgerechnet ein deutscher Regisseur zu leiden. Sieger der Kategorie war damals nämlich Friedrich Wilhelm Murnaus “Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen“, der auf vielen Listen aller „Bester Film“-Gewinner heute gar nicht mehr aufgeführt wird. Das finden wir wiederum ein wenig unfair und haben uns darum entschieden, in unserer Reihe alle sechs nominierten Filme beider Kategorien zu besprechen. Zuerst widmen wir uns aber den für “Outstanding Picture" nominierten Werken in der heute offiziell als einzige gültig angesehenen Hauptkategorie.

Nominiert waren der spätere Gewinner “Flügel aus Stahl“, “The Racket“ und das Melodrama "Im siebenten Himmel", mit dem wir heute starten.


Im siebenten Himmel

Originaltitel
7th Heaven
Land
Jahr
1927
Laufzeit
110 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert für "Outstanding Picture"
Bewertung
5
5/10

"Im siebenten Himmel" (für den manchmal auch der alternative deutsche Titel "Das Glück in der Mansarde" verwendet wird) ist ein klassisches Stummfilm-Melodrama, das Lieblings-Genre von Regisseur Frank Borzage (auf den wir in unserer Reihe übrigens noch ein paar Mal treffen werden). Zusammen mit dem populären Leinwandpaar Gaynor und Farrell produzierte Borzage Ende der 1920er gleich mehrere Melodramen in kürzester Zeit. Ausgangspunkt für die Handlungen waren dabei oft die Sorgen und Träume der Unterschicht, hier die des Kanalarbeiters Chico (Charles Farrell) und der Prostituierten Diane (Janet Gaynor), die durch diverse Umstände dazu gezwungen werden gemeinsam in Chicos Mansarde zu wohnen. Der Weg zum gemeinsamen Glück wird dabei natürlich durch zahlreiche Verstrickungen erschwert – unter anderem durch das Einsetzen des ersten Weltkriegs. Ein Thema, dass einige Filme in dieser Zeit aufgriffen und das offensichtlich noch immer stark im kollektiven Gedächtnis verankert war.  


Gerade die erste halbe Stunde von "Im siebenten Himmel" wirkt leider deutlich unrund. Das liegt vor allem daran, dass die teils tragischen Momente zu Beginn immer wieder durch anschließende kleinere Slapstick-Elemente aufgelockert werden, was irgendwie unpassend wirkt. Ein Phänomen, das wir noch bei weiteren Filmen der Zeit entdecken werden und wohl mit dem Geschmack des damaligen Mainstream-Publikums zusammenhängen dürfte. Heute mutet diese Mischung eher seltsam an und raubt den ernsteren Momenten einfach die Eindrücklichkeit. Das teils zu theatralische Schauspiel mancher Nebenrolle (allen voran Dianes Schwester Nana), ebenfalls nicht untypisch für die Zeit bzw. für Stummfilme im Allgemeinen, macht es dem heutigen Publikum auch nicht gerade leichter mitzufiebern.

Erst als die Handlung sich dann in die im alternativen deutschen Titel angesprochene Mansarde verlagert, findet der Film einen etwas besseren Groove, auch wenn die Story weiterhin relativ vorhersehbar und simpel bleibt. Doch der Fokus auf das kleine Setting tut dem Film gut, da sich zwischen den beiden Darstellern zumindest eine ordentliche Chemie entwickelt und Regisseur Borzage (hierfür ausgezeichnet mit dem Regie-Oscar in der Kategorie “Beste Drama“) mit einer simplen, aber effektiven Bildersprache für die nötige Intimität sorgt. Genauso wie die Figuren langsam ihr Herz füreinander entdecken, rücken sie auch dem Publikum ein klein wenig näher heran – auch wenn die Rolle des genauso selbstverliebten wie naiven Chico schon sehr klischeehaft konstruiert ist.


Trotzdem ist nachvollziehbar, warum Farrell und Gaynor beim Publikum damals als eines der beliebtesten Leinwandpaare ihrer Zeit galten. Gerade Gaynor holt aus ihrer Rolle relativ viel raus und ist gut darin, die Verletzlichkeit ihrer Figur sympathisch auf die Leinwand zu bringen. Es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass wir das Charisma von Janet Gaynor in dieser Serie positiv hervorheben werden. Es ist nur schade, dass die ordentliche Leinwandchemie zwischen den Hauptfiguren die etwas hölzern geschriebenen Dialoge und die gerade gegen Ende doch viel zu hoch dosierte Melodramatik nur bedingt abfedern kann. Eine ordentliche Portion Drama muss in diesem Genre natürlich sein, aber das hätte man auch deutlich glaubwürdiger und eleganter umsetzen können. Das macht "Im siebenten Himmel" am Ende nicht zu einem schlechten Film, aber dann doch zum eindeutig schwächsten Beitrag des ersten Oscar-Jahrgangs.

"Im siebenten Himmel" ist aktuell auf DVD nur als Import mit spanischen Untertiteln via Amazon erhältlich. Alternativ ist der Film aber auch auf YouTube zu finden (Suche nach “7th Heaven 1928“).

Einen Trailer zum beziehungsweise besser Ausschnitt aus dem Film findet man hier.


Ausblick
In unserer nächsten Folge wird es deutlich härter zugehen. Dann treffen wir auf keinen geringeren als den berüchtigten US-Millionär Howard Hughes, dessen Filmproduktionen ein deutlich düstereres Bild der amerikanischen Gesellschaft zeichneten.

Bilder: Copyright

10
10/10

Schade, dass die Aufzeichnung "Unique and Artistic Picture“ abgeschafft wurde, heutzutage würde eine zusätzliche Kategorie mit dem Fokus auf die künstlerische Leistung Sinn ergeben-im Gegensatz zu den dann eher populär ausgewählten Filmen.

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Antwort auf von Maya

sehe ich genauso Maya, wäre deutlich sinnvoller als einfach zu versuchen alles in ein einziges 10er Paket zu packen. Vielleicht gibt sich die Academy ja irgendwann mal einen Ruck und kehrt zu diesen ganz frühen Wurzeln zurück... 

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