Matthias' Oscar History (1): Die Geburt der Academy Awards

von Matthias Kastl / 16. September 2023

Streng genommen beginnt unsere neue Oscar-Serie gleich in der ersten Folge direkt mit einem Fehler in der Überschrift. Welcher das ist und wie es überhaupt zur Einführung des heute wichtigsten Filmpreises der Welt kam, dazu werde ich gleich noch ein paar Worte verlieren. Erst einmal aber möchte ich an dieser Stelle einleitend einen kleinen Ausblick darauf geben, was euch hier in den nächsten Monaten (und wohl auch Jahren) erwarten wird. Beginnend mit dem Jahr 1929 möchten wir auf Filmszene nämlich ein kleines Mammutprojekt starten und uns in chronologischer Reihenfolge allen bisherigen Oscar-Verleihungen bis zum Jahr 2000 widmen und dabei alle in dem jeweiligen Jahr nominierten Werke in der Kategorie “Bester Film“ besprechen.

Angesichts von über 400 Filmen braucht das natürlich einen ziemlich langen Atem. Ich will ehrlich sein, ob und vor allem wann wir dieses Ziel erreichen, lässt sich bei so viel naivem Idealismus nur schwer beantworten. Aber ich möchte euch trotzdem einladen, einfach unbeschwert an Bord zu kommen, um mit uns durch rund 100 Jahre Kinogeschichte zu reisen und mit dabei zu sein, wenn der Ton- den Stummfilm ablöst, Technicolor Farbe ins Kino bringt und die Sterne von Katharine Hepburn, Paul Newman oder Robert de Niro aufgehen. Jeden Dienstag und Samstag werde ich dabei jeweils einen nominierten Film meist kurz und knackig rezensieren und so Kinogeschichte Stück für Stück an uns vorüberziehen lassen. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, werden wir hier und da auch ein paar mal hinter die Kulissen der Traumfabrik blicken und auf interessante technische, industrielle oder gesellschaftliche Entwicklungen eingehen.

Gut möglich, dass wir nach einem Oscar-Jahrzehnt auch mal eine kleine Verschnaufpause brauchen. Innerhalb eines Jahrzehnts wird aber ohne Anhalten durchgezogen und so starten wir ab heute je zweimal die Woche (Dienstags und Samstags) mit unseren ersten 57 Folgen und allen zwischen 1929 und 1939 nominierten Filmen. Bevor wir in der nächsten Folge aber mit unserer ersten Rezension loslegen, gibt es zur Einführung erst noch etwas Hintergrundwissen zur Geschichte der Academy Awards.


Hintergrund: Startschuss für die Oscars

Die erste Verleihung der Academy Awards am 16. Mai 1929 war eigentlich eine ziemlich lieblose Angelegenheit. Innerhalb von wenigen Minuten verteilte Stummfilmstar Douglas Fairbanks Sr. ("Der Dieb von Bagdad", "Robin Hood") die Auszeichnungen, deren Gewinner bereits schon Monate zuvor bekanntgegeben worden waren. Spannend klingt das im Vergleich zu heute nur bedingt und damals waren dann auch weder das Radio noch Filmkameras vor Ort. Die Motivation hinter der Veranstaltung klang ehrlich gesagt auch nur wenig glamourös, zumindest wenn man Gründervater Louis B. Mayer (dem späteren Chef von MGM) glauben mag. Der meinte, dass er damit Filmemacher besänftigen und gefügig machen wollte – schließlich würde sich ja jeder freuen, wenn man "ihm Medaillen umhängt".

1st Academy Awards 1929

Wenn man es genau nimmt, dürften wir den Namen “Oscar“ in dieser und den nächsten Folgen übrigens gar nicht in den Mund nehmen – den berühmten Spitznamen sollten die goldenen Statuen erst einige Jahre später erhalten. Offiziell trägt die Statue noch heute ihren Originalnamen “Academy Award of Merit“, bei dem es aber kaum verwundert, dass man sich relativ zügig den deutlich handlicheren Spitznamen “Oscar“ einfallen ließ. Den wir hier, trotz historischer Ungenauigkeit, in Zukunft auch immer verwenden werden.

Für die Einführung der Academy Awards hat man übrigens ein glückliches Händchen bewiesen und sich eines der spannendsten Jahre der Filmgeschichte herausgepickt. Denn die erste Verleihung am 16. Mai 1929, bei der Filme aus den Jahren 1927 und 1928 ausgezeichnet wurden, fiel ausgerechnet in eine der wohl größten Umbruchphasen des Kinos. Mit "The Jazz Singer" war gerade der erste große Tonfilm erschienen, der das Ende der Stummfilm-Ära einläutete. Damit diese sensationelle Neuerung nicht die restlichen (mehr oder weniger klassischen) Stummfilme überstrahlte, wurde "The Jazz Singer" mit einem Spezialpreis bedacht und lief damit sozusagen außer Konkurrenz.

“The Jazz Singer“ 1927 (© WarnerBros)

Eine ähnliche Taktik fuhr man auch bezüglich Charlie Chaplin, dessen "The Circus" ursprünglich mehrere Nominierungen erhalten sollte. Auch Chaplin bekam einfach kurzerhand einen Spezial-Award für den Film verliehen, um die Verleihung nicht zu einer zu einseitigen Veranstaltung verkommen zu lassen – wobei es ebenfalls Gerüchte gab, dass Chaplin damals bei den Veranstaltern nicht sonderlich beliebt war und man ihm keine One-Man-Show gönnen wollte.

Da hören die Besonderheiten der ersten Oscar-Verleihung, deren spätere Struktur sich erst langsam zu formen begann, aber noch nicht auf. Streng genommen gab es, neben den ganzen Spezialpreisen, nämlich gleich zwei unterschiedliche Kategorien für die Auszeichnung des besten Films des Jahres. Was es damit auf sich hat und welche Rolle dabei ausgerechnet ein berühmter deutscher Regisseur aus Bielefeld spielte, das klären wir in unserer nächsten Folge. Obendrauf gibt es dann auch die erste Rezension eines Oscar-Beitrags, bei dem wir auf Kanalarbeiter Chico, die Prostituierte Diane und eine ordentliche Schippe Melodrama treffen werden.


Vielen Dank, ich weiß schon jetzt, dass ich es gespannt verfolgen werde, auch über Jahre. Und wenn es so weitergeht wie in dem heutigen kurzen Appetizer-Beitrag, dann … wer weiß: Vielleicht entsteht hier Woche für Woche, Jahr für Jahr so etwas wie ein neues Standardwerk zum Thema Academy Awards. So oder so: Ich freu mich auf die nächsten „Häppchen“ und wünsche alles Gute und viel Durchhaltevermögen für dieses Mammutprojekt.

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Auf jeden Fall schon mal Danke für die motivierenden Worte, die kann man bei so einem Projekt immer gut gebrauchen;-)

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